1952 - 66
In Herford geboren. Mutter Schneiderin, Vater Malermeister. Aufgewachsen
in der Tribenstraße, die heute bis auf 3 Häuser abgerissen
worden ist. Am Hof unseres Hauses befand sich auch die Malerwerkstatt
meines Vaters. Schon als Kind schmierte ich dort mit Farben herum
und ich bewunderte die krustigen Gebirge an den Wänden, die sich
dort aus Farbproben und Pinselabstrichen aufgeschichtet hatten. Mein
bester Freund war Axel (Aka) Stefanowski. Dessen Vater betrieb einen
kleinen Schrottplatz in der Renntormauerstr., die bis auf das Mathilden
Hospital ebenfalls weggerissen wurde. Mit Glück konnte man dort
alte Schwerter, rostige Bajonette und kaputte Flinten finden. So "bewaffnet"
machten wir dann schon früh die Gegend unsicher.
Als ich ungefähr 10 war, hatten meine beiden Cousins und mein
älterer Bruder Horst neben der Werkstatt des Vaters einen Schweinestall
zu einem Rock n Roll Schuppen umgebaut. Diese Bude hatten sie restlos
bis auf den Fußboden mit Elvisbildern ausgeklebt. Die älteren
Jungs trafen sich dort oft. Einige hatten Vespas, die aber meist defekt
waren. In dieser Zeit gelangten auch die ersten Levis Hosen nach Herford.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie man die Jeans in Sulo Zinkwannen
entfärbt hat. Das waren richtige Zeremonien. Dazu trug man Fishtail
Parkas. Schon damals hatten diese "Elvis-Typen" in Herford
einen Club, von dem ich aber nur weiß, dass er im Keller einer
Fabrik Ecke Salzufler/Leipziger Str. gewesen war.
Im Häuserblock Johannis/Tribenstr. wohnten neben meinem Freund
Aka auch die beiden Fraulis, Axel und Harald. Die gründeten Mitte
der 60er Jahre eine richtige Band, die "Jaguars". Das war
für uns ein "echter Hammer". Durch meinen Vater kam
ich immer schnell an Nitroverdünnung und Buchstabenschablonen
heran und schon bald war ich "Spezialist" für ihre
gebrauchten Gitarrenkoffer: die alten Bandnamen vorsichtig mit Nitro
runter und mittels Silberbronze oder Ofenrohrlack .Jaguars" drauf.
Ich war stolz wie Oskar.
Die Jaguars direkt vor der Haustür, schlugen uns von der Insel
die Stones, Animals, Kinks etc. einen Wahnsinnshit nach dem anderen
auf die Ohren. Ich war 1966 14 Jahre alt und steckte auf dem Ravensberger
Gymnasium. Bis dato ein braver Schüler, las ich nun meinen neuen
Helden jede ihrer Botschaften von den Lippen ab. Innerhalb eines Jahres
war ich auf dem Gymnasium nicht mehr tragbar. Ich träumte davon,
die "bürgerlichen Werte richtig in den Arsch zu treten".
Vom Ravensberger
geriet ich dann in die 5. Klasse der Realschule Wiesestr., in ein
wahres Mekka für angewandten Ungehorsam. Ich will nur ein paar
Namen meiner neuen Klassenkameraden nennen: Eduard Kühnel (Klassensprecher),
Aka Stefanowski, Paul Stammeier, Reinhold Budde (Butzek oder Erdmännchen),
Horst Schwarzer (Blake), Harry Blenk. Ihr könnt euch vorstellen,
wie wohl ich mich unter diesen Freunden gefühlt habe.
1967-69
Jimi Hendrix erschien in Herford und ich war nicht in der Scala. Darunter
leide ich bis heute, denn Jimi ist spätestens seit Purple Haze
einer meiner Gurus, wie auch Jim Morrison. Diese beiden, hinzu kamen
Pink Floyd, schwebten über uns wie strahlende Götter.
Die Haare wuchsen.
Meine erste Band die ich in der Scala gesehen habe waren die Shakespears,
eine Soulgruppe aus Bremen? Kurz danach kamen dann die Park Lane aus
Detmold. Park Lane machten auf Hendrix. Ich war so von dieser Band
begeistert, dass ich seitdem immer Gitarren im Kopf hatte. Ich dachte,
wenn ein Typ aus Detmold fast so spielt wie Jimi, vielleicht kriegst
du es ja auch hin? Nach einem halben Jahr kaufte ich bei "Rost
Boxen" in Bielefeld eine schwarze Hoyer, Les Paul Nachbau. Geübt
wurde mit einem Nordmende Röhrenradio. Am schönsten war
es, wenn der Beat Club dazu im Fernsehen lief.
Mit den vermehrten Scalabesuchen wurde auch der Jazz Club bei Lederkunst
mein frühabendlicher Aufenthaltsort. Dort traf ich auch Christian
Hahn wieder, mit dem ich zusammen die Volksschule Wilhelmsplatz besucht
hatte. Dankbar bin ich den "Jazzern" für den schwarzen
Blues, der dort oft zu hören war.
Wir waren damals
eine Clique von ca.20 Leuten. Fast alle hatten wir lange Matten und
trafen uns täglich auf dem Neuen Markt. Irgendwann war dann Woodstock.
Das war für uns wie eine Messe, die wir in Herford natürlich
auch feierten. Meist fand dies oben auf der Mergelkuhle im Stuckenberg
statt. Die Messdiener waren neben den oben erwähnten Freunden
aus der Realschule so markante Persönlichkeiten wie: Fuzzy Fischer,
Henner Schneider, Katzo, Wolfgang Wuttig, Gamba und Lieschen, Eadgel,
Anette, Rolf Lehbrink, Pomo, Gabi Arendt, Roger Oldemeier, Uwe (Ratte)
Radmacher, Chico Bäcker, Reiner Pieper und noch viele mehr. Unser
"Reiseleiter" und Ziehvater war Ulrich Tragl (Ultra).
Die ersten Hesse Bücher wurden gelesen und über die Doors,
mit den Gedichten von Jim Morrison, schloss sich schnell der Kreis
zu Kerouac, Burroughs und Timothy Leary. Unsere Welt wurde immer bunter,
verlängerte Wochenenden verbrachte man in Amsterdam. Untermalt
von Pink Floyd, King Crimson, Ravi Shankar etc., entstand in Herford
eine kleine "Subkultur". Eine Subkultur, die "reisen"
wollte, die experimentieren wollte, die noch andere Farben sehen wollte
als Rot, Gelb, Grün oder Blau.
Diese Ansprüche
ließen sich nicht im Jazz Club als Domizil verwirklichen. Dort
verkehrten meist Oberschüler die politisierten und auf Demos
gingen. Im Club herrschte "Bartzwang", es wurde Alkohol
getrunken und konservative Werte, wie z.B. Autorallys, gepflegt. Unsere
Clique war bei den Jazzern zwar geduldet, wurde aber schnell als "apathische
Gammler" abgestempelt ("Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,
sing nicht ihre Lieder"). Das ist eigentlich bis heute so geblieben.
Obwohl nur ein paar Jahre Unterschied, waren wir doch eine andere
Generation. Niemand von uns hatte Interesse an Politik, die u.E. in
allen Systemen immer in bürgerlich spießigen Zwangsjacken
endete. Wir lehnten dies ab. Wir wollten da ausbrechen. Demonstriert
haben wir eigentlich nur beim Prager Frühling und bei der Rot
Punkt Aktion, als solidarische Mitläufer.
Während
man im Jazz Club die Welt verändern wollte, lebten wir schon
längst nicht mehr auf eben dieser.
1970 - 72
Es musste unbedingt ein eigener Club her, ein Laden für psychedelische
Ausschweifungen und spirituelle Exkursionen, ein Laden der absolut
autonom war und auf keinen Fall irgendetwas mit der Stadt zu tun hatte.
Ich meine es
war im Frühjahr 70, als Ulrich Tragl in der Spielhölle erschien,
einen Schlüssel hochhielt und sagte: Wir haben eine Fabrik! Es
waren die Räume der kleinen Elektroinstallationsfirma Kaiser
in der Mittelstraße (das gesamte Viertel neben der Tribenstraße
wurde später ebenfalls komplett abgerissen). Ulli hatte die kleine
Firma vom Chef der Tankstelle Schröder an der Rennstraße
angemietet. Wir waren alle total begeistert und der neue Treffpunkt
sprach sich schnell herum in der Stadt.
Unter Ullis
Regie schafften wir es, den Laden zum Herbst des Jahres umzubauen
und unter dem Namen "FLA-FLA" (vom Drehtabak übernommen)
zu eröffnen. Ulrich Tragl ist der "Macher" des Fla
gewesen. Leider ist er schon 1991 in Hamburg verstorben. Wer ihn einmal
besuchen möchte kann dies in Herford auf dem alten Friedhof Hermannstr.
tun, es gibt einen Grabstein ca. 30 m von der Kapelle entfernt.
Viele neue Leute
erschienen auf der Szene: Peter Kitzing wurde als Hausmeister gewonnen,
Keith Slater übernahm die musikalische Leitung, Ronnie Schacker
die spirituelle Betreuung und Uwe Pörtner war für die Light
Shows zuständig. Der Laden brummte und das auch unter der Woche.
Es war einfach
eine wunderbare Zeit und ein guter Geist im Fla, nichts wurde geregelt,
es gab keine "Sitzungen", das Chaos wurde gelebt. Jeder
Tag war ein Exzess. Herford hatte seinen ersten Club für Bewusstseinserweiterung.
Getragen wurde das ganze über den Verkauf von Softdrinks, Joghurts,
Milchshakes, Flips und Spacefood. Besonders beliebt waren selbstgebackenen
Plätzchen.
Das Fla hat meine persönliche Entwicklung entscheiden! geprägt.
In dieser Zeit habe ich gespürt, dass man die schrägen Töne
spielen muss und dass man sich vor "Mitmachern" hüten
muss, will man der Wahrheit näher kommen.
Es gab damals Malhappenings, Autos wurden auf dem Hof zertrümmert,
Light Shows flackerten über die Wände und es lief eine irre
Musik. Jeder konnte sich selbst verwirklichen. Eine angefangene Ausbildung
mit dem Ziel Maschinenbauingenieur brach ich 1971 ab. Es entstanden
erste Malversuche.
Das Fla existierte leider nur knappe 2 Jahre. Vielleicht hatten wir
in unserer ungezügelten Lebenslust zu spät bemerkt, dass
sich im Club einige ökologisch ausgerichtete Besucher vermehrt
hatten wie die Karnickel. Nach und nach bauten diese Leute in unserem
gepflegten Chaos Leitungsstrukturen auf und suchten die Zusammenarbeit
mit der Stadt. So wollte man das Überleben des Flas auch in der
Zukunft absichern. Jedenfalls hatten es "die Hotzis" verstanden,
den Club mitsamt seinen Grundideen durch Mehrheiten zu unterwandern.
Einige Monate bevor der Mietvertrag auslief war das Fla schon tot.
Alles was danach auch unter dem gleichen Namen folgte, waren "saubere"
Jugendzentren in denen man grün dachte und angstfrei Pullover
stricken konnte.
Aus heutiger Sicht möchte ich dazu noch anmerken, dass die Szene
aus dem Mittelstraßen- Fla der gut-bürgerlichen Herforder
Jugend immer ein Dom im Auge war. Irgendwie hatte man Angst vor ansteckenden
Krankheiten. Mit dem Verrat der Fla Ideale durch die grüne Hotzi
Mannschaft hatte die Herforder Jugendkultur schon frühzeitig
Schlagseite bekommen, von der sie sich nie wieder erholt hat. Spießigkeit
und kreative Armut nahmen so ihren Lauf.
Lediglich die Anfangsphase des sog. "Fla an der Schillerstr."
war ein Lichtblick. Dort führte Lutz Oldemeier und einige Leute
von "Missus Beastly" Regie. Indien war angesagt und dafür
zogen wir gern die Schuhe aus. Leider, leider übernahmen auch
hier wieder die äußerst umtriebigen Hotzis das Ruder, mit
dem Ergebnis, dass sie ihr Konzept der "kontrollierten Langeweile"
konsequent umsetzten.
1973-heute
Seit der alten Fla Zeit stand mein Berufswunsch fest: ich wollte Maler
werden. 1973 ging ich nach Köln an die Werkkunstschule. Dort
studierte ich bis 79 freie Malerei bei Prof. Marx und Jürgen
Klauke. Während des Studiums habe ich auch meine Gitarrenspielerei
weiterentwickelt. Irgendwann konnte ich mir eine gebrauchte Gibson
SG Special Bauj. 66 leisten und 1975 gründeten wir die "Ron
Age Band". Zusammen mit Werner Kureinski (Drums) und Bernd Düffelmeier
(Bass) versuchten wir uns an Savoy Brown und Aynsley Dunbar Stücken.
Später
stieß Heinz Gerd Bebenroth (der Vater des Ostwestfälischen
Blues) zur Band. Wir nannten uns nun "Those Rockin'Aheads"
nach einer Rockerbande aus den Crumb Comix. Der erste Auftritt war
77 im Hellepark. Dank an "Witzer" für seine sensationellen
Harmonikaeinlagen.
Nachdem wir die ersten Stücke der Sex Pistols gehört hatten,
kamen wir uns irgendwie blöd mit unserem Rhythm a. Blues vor.
Besonders Werner war es, der uns trieb eine härtere Gangart einzuschlagen.
1979 lernten wir in der Scala den jungen britischen Soldaten Andrew
Stillion kennen. Im gleichen Jahr gründeten wir mit ihm als Sänger
die Punkband "Aheads". Die Aheads wurden ziemlich erfolgreich
und waren in der Deutschen Punk Szene nicht wegzudenken. In Berlin
spielten wir im KZ und mehrmals im SO 36. In der Scala, die mittlerweile
unter neuem Management auch auf Punk umgestellt hatte, waren wir Hausband.
1982 hatten die Aheads ihren letzten Aufritt im Audimax der Uni Bielefeld.
Andy verließ die Band und ging zurück nach England. Ungefähr
zeitgleich wurde die Scala, wie alles in Herford, abgerissen.
Nach der "freien Malerei" in Köln habe ich noch ein
"Brotstudium" an der Uni Bielefeld absolviert. Dort studierte
ich in der Zeit von 81-87 Pädagogik für das Lehramt Sek
I mit den Fächern Kunst und Sowi. Das 2. Studium finanzierte
ich durch Taxifahren in Herford.
Während der letzten Jahre war das sog. "Fla" zu einem
dumpfen Ökoschuppen verkommen, wo einfach kein Feuer mehr im
Ofen brannte. Der Jazzclub hatte sein letztes Domizil über "Hähnchen
Schmidt", bevor auch er seine Pforten schloss. Die Jazzer eröffneten
aber bald darauf einen neuen Laden in der Credenstr., den "Kakadu".
Eine richtige Heimat wurde auch dieser "Kakadu" für
mich nie. Herfords Kulturen waren immer sehr polarisiert: die Scala
war bis 82 eine Punk Hochburg und zur gleichen Zeit gründete
sich im Kakadu die "Kakadu Combo", eine Art "Peter
Kraus Coverband".
Nachdem auch der "Kakadu" Anfang der 80er schloss, wollte
es Roger Oldemeier, der Bruder von Lutz, noch einmal wissen und eröffnete
einige Zeit später eine kleine "Galerie" im ehem. Waschsalon
der Firma Ulrich, Komturstraße. Dort habe auch ich 1981 eine
Ausstellung gehabt. Irgendwie hatte dieser Laden was, ein Hauch vom
alten Fla. Man traf sich dort in kleinem Kreise, auch schon mal mittags,
las Zeitung, aß eine Banane und schaute sich einen Film oder
die Ausstellungen an.
Schon bald wechselte
Roger aber mit seinem Club, der jetzt aus vereinstechnischen Gründen
wieder "Kakadu" hieß, in größere Räume
an den Heller Weg. Der neue Kakadu glänzte mit einer gediegenen
Innenarchitektur (verspiegelter Kamin usw.). Obwohl nur an den Wochenenden
gut besucht, war man da zuhause, denn es lief genau die richtige Musik
und es wurde auch mal quer gedacht.
1986 zog sich Roger aus der Vereinsführung zurück und Claudia
Rabeneck, Werner Kureinski, Wolfgang Wuttig und Dieter Ehrlich führten
die Vereinsgeschäfte mit mir als l. Vorsitzenden weiter.
Mit viel Schrott
und den neuesten Scheiben aus der John Peel Show versuchten wir frischen
Wind in den Kamin zu blasen. Dies gelang auch und der Kakadu war an
den Wochenenden wieder Geheimtip. Ständige Wechselausstellungen,
Lesungen, Performances und Konzerte machten den Club zu einem kulturellen
Zentrum und dem neuen Namen "Herforder Künstlerkreis e.V."
alle Ehre.
1988 musste
ich für 2 Jahre wegen eines Referendariatsdienstes nach Paderborn.
Kurz danach trat der Vorstand des Künstlerkreises zurück.
Wolfgang Wuttig führte den "Kakadu" zusammen mit Claudia
dann noch 2 Jahre weiter, bis auch dieser letzte, selbstverwaltete
Club in Herford schloss. (Ja gut, es existiert bis heute immer noch
ein Fla-Fragment an der Mindener Str..)
Seit der Zeit des alten Fla hat mein Drang Bilder zu malen nicht nachgelassen.
Obwohl sich nie der große Erfolg eingestellt hat, sind es immer
noch die Ideale und Werte aus den "alten Tagen", denen ich
in der Malerei treu geblieben bin: das Chaos, der Zufall, das Sichgehenlassen,
das Zweifeln und Suchen, die Unzufriedenheit. Nach den "Aheads"
haben Werner Kureinski und ich noch bis ca. 93 weiter Musik gemacht.
Mit den Bands "Werkschutz", "Urban Spacemen" und
"Partyservice" spielten wir im Forum Enger und anderen Clubs
der Gegend. Unsere letzte Band war "Roll on Roll off". In
der Besetzung Ralf Wendler (Bass), Stefan Herold (Gitarre) und Olli
Janson (Gesang) machten wir experimentellen Hard Core und spielten
ein LP, eine EP und diverse Cassetten ein.
Heute mache ich nur noch Hausmusik, weil ich mich entschloss, meine
ganze Kraft auf die Malerei zu konzentrieren.
Seit 1996 nenne ich mich
Weizenfeld