1965 bis 1975 - Stichworte zu einem Jahrzehnt der Veränderung

 

 

 
1. Beginnende Proteste

 

"Bin kaum da, muss ich fort", sang Hannes Wader, Liedermacher und Protestsänger, 1968 und portraitierte damit den Aufbruch der jungen Generation, der 68er, deren Kritik an der vorgefundenen Gesellschaft, dem Establishment, so etwas wie ein Grundgefühl war, das sich in Verhalten, Sprache, Kleidung, Musik, Umgangsformen äußerte. Die Jugendlichen, Schüler, Lehrlinge, Studenten reagierten mit einem zunächst diffusen Unbehagen auf die Enge der Verhältnisse, auf die ebenfalls diffus wahr genommene nationalsozialistische Vergangenheit, die vorherrschenden autoritären Strukturen in Elternhäusern, Schulen, Betrieben und Hochschulen und auf den weltweiten Wandel dieser Verhältnisse. Das Unbehagen äußerte sich allmählich immer gezielter in Aktionen, Demonstrationen, Sit-ins, Flugblättern, Schülerzeitungen, Blockaden und revolutionären Programmen.

Mit der Zerschlagung des NS-Regimes, der Beseitigung der Trümmer und dem Wiederaufbau mit seinem wirtschaftlichen Aufschwung war das politische Erbe des Nationalsozialismus noch nicht beseitigt. Die Deutschen der 50er und 60er Jahre hatten die Verantwortung für Weltkrieg und Holocaust nicht übernommen und das schwere Unrecht in einen Mantel des Schweigens gehüllt. Die Väter offenbarten sich nicht ihren Söhnen. Bewusst hat sich erst die nachfolgende Generation mit der Schuld, Scham und Moral der Väter auseinander gesetzt.

Diese Auseinandersetzung wurde auch als Kritik am System BRD formuliert. Hatten die Jugendlichen der 50er Jahre noch über ihre Musik, den Rock'n Roll, ihre Sexualität und ihre Kleidung, ihre Tänze und ihr geschlossenes Auftreten in Gruppen gegen die Elterngeneration ihre Jugend demonstriert, so setzte mit Beginn der 60er Jahre eine Politisierung der Jugendlichen ein. Die Jugendlichen bildeten ein gegenkulturelles Milieu heraus. Ausgehend von den Universitätsstädten bis hin zur Schülerbewegung in der sogenannten Provinz, den Kleinstädten wie Herford, entstand eine Aufbruchstimmung, die sich aus der zunächst diffusen, später reflektierten Ablehnung des autoritären Schulsystems, das sie zu demokratisieren trachtete, entwickelte. Beatmusik, Hippiekultur waren die eine Folie, die andere war das erwachende Interesse der Jugendlichen für politische und soziale Veränderungen der Gesellschaft und ihres unmittelbaren Umfeldes in Familie, Schule, Freizeit.

Auf diesem Hintergrund gab es zahlreiche Protestformen der jungen Generation. Es gab den zivilen Ungehorsam, friedliche studentische Demonstrationen, die Praxis der begrenzten Regelverletzung, Happenings und Gewalt gegen Sachen. Es vollzog sich eine radikale Abkehr von den Institutionen des liberal-demokratischen Deutschland, die mit dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg bei einer Berliner Demonstration gegen das Regime des Schahs von Persien am 2. Juni 1967 und dem Anschlag auf Rudi Dutschke 1968 verstärkt militante Formen annahm.

Deutschland war mitten im Prozess des weltweiten Wandels der 60er Jahre, der durch zahlreiche Ereignisse beschrieben werden kann.





 

Auf der Krimes

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