Der Jaguar Club in der Herforder Scala (3)

 

 
3. Beatmusik, Jugendkultur und das Herforder Jugendamt

Für die Erwachsenenwelt und deren Institutionen war die Jugend immer ein Problem und ein möglicher gesellschaftlicher Störfaktor, der beobachtet und in die Schranken verwiesen werden musste. Die Jugend ist die heranwachsende Generation, die die Werte und Normen der Erwachsenen übernehmen muss, um so ein Funktionieren des Gemeinwesens zu garantieren. Es wurden nur kleine Freiräume zugestanden, in denen die Jugendlichen nach Autonomie streben und eigene Lebensstile kultivieren konnten. Jugendliche aber brauchen Freiräume, in denen sie sich entwickeln, Selbsterfahrung erleben und Unsicherheiten meistern können. Die Räume, in denen Beatmusik gespielt wurde, waren offenbar nicht von Erwachsenen akzeptierte Freiräume. Sie mussten überwacht und kontrolliert werden. So gab es kaum ein Konzert, auch nicht im Jaguar Club, bei dem nicht Mitarbeiter des Herforder Jugendamtes oder der Polizei anwesend waren, in der Regel verdeckt, anonym, um die Musikszene zu observieren, aber auch, um notfalls einzugreifen. Jugendliche unter 16 Jahren durften laut Gesetz Tanzveranstaltungen nicht besuchen.

Aus den Akten des Herforder Jugendamtes seit 1964 lässt sich eine kleine Geschichte des Herforder Jaguar Clubs aus der Sicht der Jugendschutzbehörde zusammen stellen. Schon 1964 wurden im Saal des Herforder Schützenhofes "Twistveranstaltungen" (Protokoll des Jugendamtes vom 26.4.64) durchgeführt und wurde der "Lärm" beanstandet, der eine Verständigung im Saal nicht erlaubte. Bei "stichprobenartigen Ausweiskontrollen" wurden häufig Jugendliche angetroffen, die noch keine 16 Jahre alt waren. Hier begann eine Auseinandersetzung zwischen dem Herforder Jugendamt und der Veranstalterin Carola Frauli, die sich bis zum Ende des Jahres 1970 hinzog. Hauptsächlicher Vorwurf war, dass die Veranstalterin die Kontrolle über das Alter der zu den Tanz- und Konzertveranstaltungen zugelassenen Jugendlichen vernachlässigte, nicht konsequent durchführte oder kein entsprechendes Aufsichtspersonal beim Einlass postierte, sodass regelmäßig "unbefugte Personen" den Veranstaltungen beiwohnten. Im Laufe dieser Zeit kam es zu einigen Bußgeldbescheiden gegen Carola Frauli.

Was weder die Polizei noch Carola Frauli kontrollieren konnten, war die Tatsache, dass sich manche der Minderjährigen ihren eigenen Einlass in die Scala verschafften - entweder, weil sie die fünf Mark nicht hatten, die als Eintritt verlangt wurden, oder weil sie wussten, dass sie vielleicht abgewiesen werden würden. Eine beliebte Methode war es, durchs Toilettenfenster einzusteigen, das von einem "Komplizen" innen geöffnet wurde, der währenddessen an der Tür "Schmiere" stand.

Bemängelt wurde zudem in den Berichten regelmäßig, dass "die Deckenbeleuchtung ausgeschaltet war; lediglich die Wandlampen brannten, sodass im Saal die Kontrolle der Personalausweise nahezu unmöglich war." Die Jugendlichen ließen aus der Sicht der Jugendamtsmitarbeiter häufig eine gepflegte Kleidung vermissen, obwohl Fotos von Konzerten Mitte der 60er Jahre die Jugendlichen in Anzügen und Kleidern zeigten. Erst etwas später wechselten diese für die Anzüge Jeans und Pullover ein.

Immer wieder wurden Jugendliche unter 16 Jahren, "denen man den Minderjährigen ohne Schwierigkeiten ansah", fest gestellt und deren Personalien aufgenommen. Da 18jährige diese Veranstaltungen nur bis 22.00 Uhr besuchen durften, wurden bei Kontrollen nach dieser Zeit auch "Minderjährige unter 18 Jahren, die nicht in Begleitung von Erziehungsberechtigten waren, angetroffen."

Mit dem 29.1.1966 begann die Zeit des Jaguar Clubs im ehemaligen Filmtheater Scala in der Mindener Straße. "Zu den Veranstaltungen wurden namhafte Beat-Bands verpflichtet", heißt es im Protokoll des Jugendamtes vom 8.2.1966. Ab dieser Zeit gab es immer wieder "Beanstandungen" beim Alter einiger Jugendlicher. Die "ertappten" Jugendlichen wurden vorgeladen und hatten ein Protokoll zu unterschreiben. Hier eines der vielen Beispiele: "Ich bin vor etwa 3 Wochen zweimal im ‚Jaguar-Club', Herford, ehem. Scala-Filmtheater, bei Tanzveranstaltungen gewesen. Ich habe mich dort etwa von 17.00-20.30 Uhr aufgehalten. Weder am Schalter noch am Einlass bin ich nach meinem Alter gefragt worden. Ich weiß, dass ich nach dem Jugendschutzgesetz nicht an öffentlichen Tanzveranstaltungen teilnehmen darf und werde das vor Vollendung meines 16. Lebensjahres auch nicht mehr tun." Der Jugendliche war zu diesem Zeitpunkt (5.8.1966) 14 Jahre alt.

In einem Schreiben des Jugendamtes an Carola Frauli wurde zudem allgemein auf häufiger werdende Klagen von Erziehern hin gewiesen, dass Jugendliche "durch Teilnahme an den Beatveranstaltungen in der ‚Scala' ihre eigentlichen Pflichten vernachlässigen" (Protokoll des Jugendamtes vom 22.8.67).

Am 28.10.1967 wurde eine groß angelegte "Jugendschutzkontrolle" in der Scala durchgeführt. An ihr "haben 7 Bedienstete des Stadtjugendamtes Herford, 6 Kriminalbeamte, 10 Angehörige der Herforder Schutzpolizei und einige Militärpolizisten der englischen Streitkräfte teilgenommen" (Protokoll vom 30.10.1967). Die Kontrolle begann um 22.20 Uhr. In einer Planzeichnung des Jugendamtes vom Scala-Saal wurden die entsprechenden Postierungen des Kontrollpersonals eingetragen. Selbst die Fenster von der Toilette nach draußen wurden bewacht, damit Jugendliche nicht auf diesem Wege die Kontrollen umgehen konnten. Gegen Ende der Kontrolle wurden 42 Jugendliche zur Feststellung der Personalien zunächst in Mannschaftswagen der Polizei, dann in das Stadtjugendheim Mindener Straße gebracht. Dort wurden die meisten Jugendlichen dann von ihren Eltern abgeholt. Leserbriefe und Stellungnahmen des Jugendamtes in den Herforder Tageszeitungen begleiteten noch einige Zeit die Diskussionen über diese Kontrollaktionen.

Carola Frauli war sich der Jugendschutzbestimmungen wohl bewusst. Doch kritisierte sie die Kontrollaktionen als ungeeignete Maßnahmen, um bei der Jugend Vertrauen zu gewinnen. Ihr Club sei eine sehr gute Adresse für Jugendliche, "die sich dort treffen, aufhalten und vergnügen können, um nicht gelangweilt auf den Straßen herum stehen zu müssen."



 

Die Troggs

Carola Frauli und The Move

Spooky Tooth

The Searchers

The Loadstones