Der Jaguar Club in der Herforder Scala (2)

 

 
2. Der Herforder Jaguar Club in der Scala

Es gab bis 1965 auch keine Beatsendung im Fernsehen. Die Jugendlichen hörten noch bis spät abends die englische Hitparade auf dem englischen Sender BFBS. Nach der ARD gab es ab 1963 das zweite Fernsehprogramm, das ZDF. Immer mehr Haushalte hatten einen Fernseher. Bis 1967 wurde aber noch ausschließlich in Schwarz-Weiß ausgestrahlt. Die Sendungen begannen erst um 17.00 Uhr mit der Kinderstunde und endeten mit der Spätausgabe der Tagesschau um 22.30 Uhr. Die Nacht war noch fernsehlos. Fernsehshows ("Einer wird gewinnen" mit Hans-Joachim Kulenkampff, "Der goldene Schuss" mit Lou van Burg) und Krimis ("Stahlnetz"), Westernserien ("Am Fuß der blauen Berge", "Bonanza") waren beliebte Sendungen. Erst im September 1965 wurde der erste "Beat Club" für Jugendliche von Radio Bremen im Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt.

Neben dem Starclub in Hamburg, der auch in Bielefeld und anderen deutschen Städten Ableger gründete, gab es in Herford zunächst den Schützenhofsaal für Beatveranstaltungen, dann den Jaguar Club im ehemaligen Filmtheater Scala an der Mindener Straße, wo es für Jugendliche möglich wurde, für wenig Eintrittsgeld die internationalen Bands und auch deutsche Bands wie die Rattles, die Lords, German Bonds, die Rivets und andere zu hören.
In der Region gab es neben dem Jaguar Club noch andere Auftrittsorte wie das Ambassador in Schötmar, die Eisenhütte in Bielefeld, Hotel Pörtner in Enger, den Schützenhof in Bünde, das Volkshaus und das Hotel Stadt Frankfurt in Detmold und zahlreiche Kneipen, die zu Live-Tanzveranstaltungen einluden.

Einige der Jugendlichen machten selber Musik, sodass es auch in Herford zu einigen Bandgründungen kam. Die "Jaguars", nach denen der Jaguar Club benannt wurde, war wohl die erste Band in Herford. Sie gründeten sich 1963 und hatten Erfolge wie den Auftritt in Bremen als Vorgruppe der "Kinks", im Starclub Hamburg, dem Bielefelder Starclub und in der Eisenhütte in Bielefeld, in der Grille in Minden, im Klabautermann in Steinhude, im Hotel Lütke in Vlotho und im Schützenhaus in Lemgo zu verzeichnen. Vor der Namensänderung war der Bandname der Jaguars "The Bandits". Als Sänger der Jaguars wurde zunächst Phil McNamara verpflichtet, den Carola Frauli, die Managerin des Jaguar Clubs für DM 2.000,- von der Britischen Armee "freikaufen" musste.

Es folgten die "Loadstones" und die "Rags", später die "Cranks" Mitte der 60er Jahre. In Detmold gab es die "Lions", in Bielefeld die "Green Onions", "Peter and The Youngsters", in Enger "Percy and the Jailbirds". Man übte in privaten Kellern und zunächst noch Instrumental-Stücke der Shadows, dann Songs der Beatles, der Rolling Stones ("Satisfaction"), der Animals ("House of the Rising Sun") und anderer Bands, die zahlreich aus dem Boden wuchsen.

Diese Musik stand für Aufbruchstimmung. Auch hier, in der Mindener Straße, dem ehemaligen Filmtheater Scala, das von Carola Frauli nach der Kündigung im Schützenhof, wo bisher die Beat- und Tanzveranstaltungen statt gefunden hatten, angemietet wurde. Die Scala bot im Anschluss an den Schützenhof zahlreichen Bands Auftrittsmöglichkeiten. Hatten im Schützenhof schon neben den Jaguars auch andere Bands gespielt, so war die Scala ab 1966 einer der wichtigsten Auftrittsorte für die Creme der internationalen Beatbands. Schon der WDR berichtete 1965 aus dem Schützenhof über ein Konzert mit den "Liverbirds", den "Rattles" und den "Jaguars". Am 29. Januar 1966 wurde dann in der Scala das Eröffnungskonzert mit "Lee Curtis and the Allstars", den "German Bonds" und den "Loadstones" veranstaltet.

Schon in den dreißiger Jahren gab es in dem Gebäude an der Mindener Straße 38 ein Tanzlokal, "Litkes Neue Welt". Ein guter Ort, Neues und andere Menschen kennenzulernen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dort Operetten auf- und andere Musikveranstaltungen durchgeführt, bis das Gebäude irgendwann zum Lichtspieltheater umgebaut wurde. In den drei Monaten November 1965 bis 1966 wurde die Scala dann wieder in einen Tanzpalast verwandelt.

Danach schrieb der Jaguar Club in der Scala Beatgeschichte. Neben Jimi Hendrix traten im Verlauf der folgenden Jahre auf: The Who, The Cream, die Spencer Davis Group mit Steve Winwood und Manfred Mann mit Band. Darüber hinaus spielten unter anderem Toni Sheridan, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich, The Searchers, John O`Hara & The Playboys, The Small Faces, The Hollies, Drafi Deutscher, Graham Bonney, Casey Jones, Ted Herold, King Size Taylor, Knive & The Fork, Linda Laine & The Sinners, Bill Hailey, The Easybeats und zahlreiche andere Bands. Zusätzlich gab es häufig Band- und Sängerwettbewerbe, manchmal sogar Schallplattenaufnahmen.

Am 30. Oktober 1970 musste der Jaguar Club in der Scala die Tore schließen. Schon vorher hatte Carola Frauli im ehemaligen Cafe Bruns in der Kurfürstenstraße am 12. August 1967 die Diskothek "Tamburin" eröffnet. Einer der bekannten Diskjockeys war Gunter Gabriel. Am 6. November 1972 wurden auch hier, nach Querelen mit Anliegern, die Tore geschlossen. Aber damit war die Geschichte der Scala noch nicht zu Ende.

Ende des Jahres 1978 hatte ein findiger Gastwirt mit Namen Tom N. auf der Suche nach einer geeigneten Kneipe von der Stadt einen Pachtvertrag für die Schankwirtschaft an der Mindener Straße 38 bekommen. Sofort wurde die Kneipe in Herford wieder zum Insider Treff. Wieder läutete die Musik eine neue Epoche ein- und schockierte…………Punk! Es spielten Bands wie Notdurft, Hass, Aheads und viele andere auf engstem Raum.

Tom N. mietete den Saal dazu. Er wurde an 4 junge Leute untervermietet. Wieder wurde das Gebäude in einen Tanzpalast verwandelt, wieder durch viele Jugendliche in unzähligen Arbeitsstunden. Und am 1.Mai 1980 war es mal wieder so weit …..Rockkonzert in der Scala!
Es spielten Zeltinger und Band. Danach kamen Bands wie Roger Chapman and the Shortlist, The Cure, Dexys Midnight Runners, UB 40, Sniff and the Tears, Gravenites & Cipollina und viele andere.

Unbehagen verbreitete sich mal wieder über das eigentümliche Treiben an der Mindener Straße. Am Herforder Bahnhof fielen Horden von Affenmusik und Affentheater liebende Jugendliche aus der gesamten Region und darüber hinaus ein. Das wollte die Stadt nicht länger dulden.

Ab Februar 1981 musste gesammelt werden. Unterschriften, denn die Stadt Herford wollte nun nicht mehr vermieten. Dies änderte sich scheinbar am 21. April 1981 nach der Entgegennahme von ca. 4500 Unterschriften. Man zeigte sich einsichtig, wollte nun vermieten, verlangte (und erhielt) diverse Gutachten, legte sich allerdings intern bereits auf den Abriss fest. Der erfolgte an einem kalten Wintermorgen, dem 11.Januar 1982, in aller Frühe, denn man fürchtete Krawall. Es blieb allerdings ruhig…

Carola Frauli hat fast dreißig Jahre später ihr Archiv und ihre Protokolle, Erinnerungen und Texte zur Grundlage des Buches über die Zeit der Scala, des Jaguar-Clubs gemacht. Das Buch selbst ist die stark gekürzte Fassung ihre mittlerweile auf zwei dicke Leitz-Ordner angewachsene Dokumentation, an der sie heute immer noch weiter arbeitet. Carola Frauli ist für die Beatmusik-Szene der zweiten Hälfte der 60er Jahre in Herford so etwas wie das wandelnde Gedächtnis. Ihre Verdienste für die Beatmusik und die Jugendlichen können nicht hoch genug eingeordnet werden.