Die Rotpunkt-Aktion in Herford - eine unvollständige Chronologie (9)

 

 

10. Die Ruhe kehrt zurück

Mittwoch, 15. April/Donnerstag, 16. April. Das EMR hat alle Linienbusse aus den Depots beordert; von den frühen Morgenstunden ab läuft der Verkehr wieder reibungslos. Immer noch gibt es einige Privatwagen mit Rotem Punkt, die an Haltestellen anhalten, um wartende Fahrgäste mitzunehmen; allerdings werden es im Laufe des Tages immer weniger. Das Fernsehteam des NDR, das für die Sendung "Panorama" in Herford und Minden drehen will, kommt zu spät.

Der DGB gibt offiziell das Ende der Rotpunkt-Aktion bekannt und spricht Gott und der Welt seinen Dank aus: Den "Mädchen und Jungen von der Aktion Roter Punkt", den Autofahrern, den Betrieben und Belegschaften, der Polizei, den EMR-Busfahrern und der gesamten Bevölkerung. Die Herforder Konsensgesellschaft befindet sich auf dem schnellen Rückweg in die politische Beschaulichkeit.

Doch noch einmal, ein letztes Mal, meldet sich das Aktionskomitee "Roter Punkt" zu Wort. Am Donnerstag, auf der Abschlusskundgebung vor dem Herforder Rathaus. Noch einmal, so staunt das Westfalen-Blatt, ist der Platz "schwarz von Menschen".

DGB-Sprecher Paul Braunert verspricht, dass man weiterhin wachsam bleiben werde. Eine schleichende Tariferhöhung im Herbst, die viele Bürger befürchten, sei mit dem DGB nicht zu machen. Auch das Thema Nulltarif für Schüler, Auszubildende und Rentner werde man weiter verfolgen; der DGB werde diese Forderungen weiterhin unterstützen.

Betriebsratvorsitzender Pade von der Firma Ernstmeier hebt besonders hervor, dass es während der Aktion keine "Krawalle" gegeben habe und kündigt ebenfalls eine neue Rotpunktaktion an, falls das EMR sich nicht an die Fahrpreisrücknahme halten solle.

Für das Rotpunkt-Komitee spricht Frank Cleve. Für ihn und für die Initiatoren der Aktion zählt in erster Linie, dass die Betroffenen, sprich: die Bürger aus Stadt und Kreis, ihr Schicksal in die eigene Hand genommen haben, wenn auch nur für kurze Zeit. Er äußert die Hoffnung, dass nun auch weitere Entscheidungen nicht mehr über die Köpfe der Betroffenen hinweg getroffen werden können. Demokratie sei eben mehr als nur die Stimmabgabe bei Wahlen; Demokratie bedeute dauerhafte Kontrolle.

Da kommt sie noch einmal zum Vorschein, die Hoffnung, die Rotpunkt-Aktion habe den von den Initiatoren herbeigesehnten "Bewusstseinswandel" eingeleitet. Eine Hoffnung, die trügt. Knapp ein Jahr nach der Rotpunkt-Aktion erhöht das EMR die Fahrpreise, zwar weniger gravierend als im April, aber dafür kontinuierlich. Der vom DGB vollmundig versprochene Protest bleibt aus. Auch von unten gibt es keine Wiederbelebung der Rotpunkt-Aktion. Die Akteure von damals haben die Region teilweise zum Studium verlassen; die alten politischen Zusammenhänge sind zerfallen.

So bleibt sie eine Episode, diese Doppelwoche, in der in Herford die Bürger bewiesen, welche Macht man haben kann, wenn man gemeinsam ein Ziel verfolgt. Eine Erinnerung, ein Gefühl, bei manchen ein wenig Nostalgie.

Es herrscht wieder Ruhe in Ostwestfalen.

 

Autor: Gerd Ruebenstrunk




   

Rotpunkthelfer

 

Busblockade

 

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