Vom Mäusejazz zum Modernjazz - Eine kleine Geschichte des Jazz Club January (3)

 

 

 
3. Generationswechsel im Jazz Club

 

In dieser Zeit besuchten Jugendliche häufiger den Jazz Club, die auch zu den Beatkonzerten in der Scala gingen; sie waren nicht unbedingt Jazzfans, aber grundsätzlich an Musik und dem Clubambiente interessiert. Man konnte in den Nischen mit den Bänken und niedrigen Tischen der Musik zuhören und diskutieren. Diese Jugendlichen hatten ihr Interesse an der Politik entdeckt und die aktion 49 gegründet. Vornehmlich waren es Schüler, Lehrlinge und einige Studenten, die am Wochenende nach dem Scalabesuch noch einen Abstecher in den Jazzclub machten. Allerdings durfte man das nicht erwähnen, denn Beatmusik war bei den älteren Mitgliedern verpönt.

Die sich bei den Jüngeren wandelnde Kleiderordnung: Jeans, Parka und auch schon mal eine Baskenmütze und vor allem die Haarlänge wurden von den älteren Jazz-Club-Mitgliedern missmutig beobachtet. Einige Male kam es hierüber zu verbalen Auseinandersetzungen bis hin zur Drohung mit dem Hinauswurf aus dem Jazz Club. Doch der Lauf der Zeit auf dem Hintergrund der Ereignisse von 1968 ließ sich nicht aufhalten. Schließlich wurde der Jazz Club immer mehr von Jüngeren "unterwandert", die dann nach und nach auch Positionen im Vorstand besetzten, den sie 1969 vollständig übernahmen.

Die älteren Jazzfans blieben dem Club schließlich fern, zumindest besuchten sie ihn nicht mehr regelmäßig. Die Musikstile wandelten sich ebenfalls. Immer mehr Beat- und Rockmusik wurde auf den Plattenteller gelegt. Zwar wurde auch nach wie vor noch Jazz gespielt, aber die ausschließliche Bedeutung, die er bis dahin für den Jazz Club hatte, verschwand. Eine neue Generation von Jugendlichen vollzog den Generationswechsel und hatte sich des Clubs bemächtigt. Sie besaß in dem Club ein ebensolches Domizil wie es die ausscheidenden älteren Jugendlichen hatten.

Allerdings wurde den neuen Mietern des Jazz Club ein Jahr später gekündigt. Vermieter Kunst wollte die Jugendlichen in seinem Hause nicht mehr ertragen. Ein großer Teil der Jugendlichen, die sowohl im Jazz Club als auch in der aktion 49 aktiv waren, studierten und kamen nur noch an den Wochenenden nach Herford. Trotzdem ging man auf die Suche nach einem neuen Domizil. Das wurde dann in der Hansastraße nahe der Mündung der Aa in die Werre gefunden, die ehemalige Villa Fischer des Eigentümers und Geschäftsführers der Fischerschen Möbelfabrik an der Hansastraße/Ecke Herderstraße. Die dortigen Kellerräume, die mehr Platz boten als die Räumlichkeiten in der Komturstraße, wurden renoviert, mit etwas Mobiliar und einer Theke versehen und für ein Publikum geöffnet, das sich von dem vorherigen sehr unterschied. Es lief dort manchmal recht chaotisch ab. Einige Jugendliche hatten zum Beispiel Holzbalken vom Neubaugelände des Friedrichsgymnasiums über die Werre zu der Villa Fischer geflößt und als Balken für die Renovierung des Kellers verwendet.

Der Jazz Club hatte in der Hansastraße nicht mehr das Flair der teilweise "geschlossenen Gesellschaft", des Freundeskreises, der sich regelmäßig in eigenen Räumlichkeiten traf.

Zwar wurden regelmäßig Filme gezeigt, und es spielten ab und an auch Bands - im Grunde war der Jazz Club gegenüber dem Schlachthof aber eine Art Szenelokal, wie sie damals in vielen Städten entstanden. Hier trafen sich politisch Aktive mit dem Lumpenproletariat: ehemalige Fremdenlegionäre waren ebenso zu Gast wie Maoisten, die jugoslawischen Arbeiter, die oben im Haus unter nicht sehr hygienischen Bedingungen wohnten, ebenso wie Rockmusikfans.

Die Mitgliedskontrolle am Eingang wurde schnell aufgegeben; und weil der Jazz Club als eingetragener Verein nicht den offiziellen Öffnungszeiten für Gaststätten unterlag, trafen sich hier ab ein Uhr nachts oft die, die noch nicht nach Hause gehen wollten. Für viele, gerade Jüngere, war der Keller in der Hansastraße eine zweite Heimat; hier konnte man stets hinkommen, wenn alle anderen Kneipen geschlossen waren. Ob Heiligabend oder Karfreitag: Der Jazz Club hatte immer geöffnet.

Das führte natürlich zu einigen Problemen. Es gab, besonders spät in der Nacht, häufiger Ärger mit ungebetenen Gästen; es kam zu Schlägereien und nicht gerade harmlosen Auseinandersetzungen mit Rocker- oder Schlägerbanden, die im Jazz Club gerne mal "Achterbahn" machen wollten.

Nach zwei Jahren musste der Jazz Club auch die Räume in der Hansastraße verlassen. Das Haus wurde abgerissen. Mittlerweile waren viele der Aktiven schon über 20 Jahre, hatten aber dennoch den Plan, nach neuen Räumen für den Jazz Club zu suchen. Die Suche endete erfolgreich mit der Anmietung der ersten Etage der ehemaligen Fabrik Rühl Apparatebau in der Hämelinger Straße.

Im Gegensatz zur Hansastraße wurde hier wieder mehr an die Tradition des ursprünglichen Jazz Club angeknüpft. Es kehrten eine Reihe der Aktiven zurück, die sich vorher zurückgezogen hatten; die Kontrolle der Mitgliedsausweise wurde wieder ernster genommen; es lief wieder mehr Jazzmusik. Das Konzertprogramm wurde deutlich ausgebaut; in der Hämelinger Straße traten so prominente Musiker wie Ronny Scott, Ali Haurand oder die Londoner Band "If" auf. Außerdem gab es ein Ausstellungsprogramm, das regelmäßig wechselte.

Bis 1976 florierte der Jazz Club January unter dem neuen Namen Jazzgalerie. Für den wiedererwachten Clubgedanken spricht auch, dass zahlreiche Aktivitäten wie Ralleys, Steinbruchfeten und Partys stattfanden.

Gegen Ende der Jazzclubzeit gab es noch eine Fußballmannschaft, in der auch Frauen mitspielten. Wie andere Herforder Hobby-Mannschaften, zum Beispiel die beiden Fla-Teams "Dampfhammer" und "Trios Paranoia", kickte man in der Wilden Liga Ostwestfalen mit.

1976 war das Jahr, in dem der Jazzclub als Raum der Jugendkultur seine Pforten schloss. Die Nachwehen mündeten 1978 noch einmal in die Gründung des Kakadu-Clubs in der Credenstraße, betrieben von Carlo Dewe, der mit anderen Musikern die nach dem Club benannte Kakadu-Combo gründete, die noch heute Musik macht. Doch auch dieser Club, eigentlich schon von Erwachsenen betrieben, verließ 1982 sein Domizil. Ein letzter Versuch, den Kakadu-Club am Heller Weg/Ecke Elverdisser Straße in der ehemaligen Sackfabrik Brockfeld fortzuführen, scheiterte an diversen Streitigkeiten. Von Jugendkultur konnte da aber schon nicht mehr die Rede sein.