Vom Mäusejazz zum Modernjazz - Eine kleine Geschichte des Jazz Club January

 

 

 
1. Wie alles begann

Hatte er nicht als Ersatz für Lonnie Donegan, der gerade seine Militärzeit ableistete, in Chris Barbers Jazzband Banjo gespielt? Später gingen Big Bill Broonzy, Muddy Waters, T-Bone-Walker und andere Größen des Blues in seiner Londoner Wohnung ein und aus. Noch später, am 12. Juli 1962, wurde er im Londoner Marquee Club wegen Plattenaufnahmen von einer jungen Band vertreten, die die best bezahlteste Rockband der Welt werden sollte: den Rolling Stones. Noch später, im Jahre 1969, trat er im Herforder Jazz Club January in der Komturstraße auf, jenem roten Backsteingebäude im Hinterhof von Leder Kunst, einer ausrangierten Bonbon-Fabrik aus dem 19. Jahrhundert, deren zweite Etage von jungen Jazzfans aus Herford angemietet wurde. Er war in dieser Zeit einer der Väter aller aufstrebenden Bands in England. Ein Weißer, der den Blues so unnachahmlich spielte und sang: Alexis Korner. Nachdem er in der Herforder Scala, dem Mekka der Beatfans in der Region, aufgetreten war, stattete er dem Jazz Club einen Besuch ab und spielte ihn, den Blues.

Im Jahre 1962, kurz nach dem Konzert der Rolling Stones, besuchten zwei Mitglieder des Jazz Club den Marquee Club und waren von der Musik Chubby Checkers, der dort ebenfalls spielte, begeistert. Sie lernten dort den Twist, um nach der Rückkehr in den ersten Räumen des Herforder Jazz Club in der Petersilienstraße mit wiegenden und zuckenden Twistbewegungen die anderen erstaunten Mitglieder zu verzücken. Eine Revolution in der Petersilienstraße.

Einige Jahre früher, Ende der 50er Jahre, muckten einige Herforder Jazzverrückte in Kropps Casino Unter den Linden: Wolfgang Hohenböken (Klavier), Manfred Hübner (Kontrabass, Moderator beim WDR in Köln), Josef "Juppie" Neugebauer (Klavier) und Eduard Schmeding (Schlagzeug). Sie waren begeistert von Chris Barbers "Petit Fleur". Jazz war, wie der Rock'n Roll, in den Augen der Elterngeneration "Negermusik", verpönt, Aussatz und der Ärger mit den Eltern beim Hören dieser Musik vorprogrammiert. Zuhause gab es die Musiktruhe mit dem Zehnplattenwechsler, aber gespielt werden durften nur deutsche Schlager, die den Jugendlichen zum Halse heraushingen. Sie hatten zu Hause mit ihrer Musik keine Chance. Sie mussten "'raus aus dem Mief". Und sie trafen sich in Kropps Casino und der Geschwister-Scholl-Realschule in der Wiesestraße, in deren Aula des öfteren Jazzkonzerte stattfanden. Die neue Realschule verfügte über die modernste Schulaula in Herford und war der Ort des Abschiedskonzertes der Modern-Jazz-Group-Herford. Josef Neugebauer, Klaus Illenburg (Gitarre) und Manfred Hübner verließen Herford aus beruflichen Gründen. Eduard Schmeding blieb als einziger und gründete eine neue Band. In der Realschule Wiesestraße gab es zuvor ein Jazz-Band-Ball-Concert, dessen Erlös in Höhe von DM 500,-- für die Aktion Berliner Ferienkinder gespendet wurde.

Jazz traf in Herford auf ein begeistertes Publikum bei diesen Jugendlichen. "Der Jazz der Amateurmusiker in Deutschland ist zur Hausmusik unserer Zeit geworden und an die Stelle häuslichen Musizierens alter Form getreten", wie das amerikanische Nachrichtenmagazin "Time" feststellte. Aus der Sicht der Siegermächte erfreulich, galt doch der Jazz im Nationalsozialismus als entartet und als Niggermusik. Das sollte anders werden, wie die sich gründenden Jazzbands der Region belegen sollten. Zwar gab es schon in den Jahren nach 1945 vereinzelt Jazzfans und Jazzmusiker in Herford wie Fritz Schultz, Musiker und Architekt, aber erst Mitte der 50er Jahre begann sich eine echte Jazzszene zu entwickeln. Im Hessischen Rundfunk gab es Jazzmusik in der Sendung von Redakteur Lippmann eher als in Ostwestfalen, da dort die Amerikaner stationiert waren. In unserer Region konnte Jazz erst nach 22.00 Uhr im Radio gehört werden. Der Rundfunk war voller deutscher Schlager für die ältere Generation. Der britische Sender BFBS machte da eine Ausnahme. In Bünde waren die Impulse der Jazzsendungen schon Ende der 50er Jahre in Jazzkonzerte im dortigen Stadtgarten umgesetzt worden. Diese Konzerte wurden auch von Herforder Jazzfans besucht. Und dort, auf dem Pissoir des Bünder Stadtgartens, entstand die Idee, in Herford einen Jazzclub zu gründen.