Einleitung

 

 

"Ich hoffe, dass wir auch heute noch nicht in sogenannten Positionen zur Ruhe gekommen sind."

(Theodor W. Adorno gegenüber einem Journalisten 1969)

Wer ein richtiger Träumer ist, der will immer noch mehr, und der "Zug nach dem, was fehlt, hört nicht auf", wie Ernst Bloch im "Prinzip Hoffnung" sagt. Und er weiß, dass die Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben ihre Kraft festhält, auch noch die betrogene, nicht erfüllte. Wenn alles vergangen, klein geworden oder in die Ferne gerückt ist, so sind die Träume geblieben und wähnen sich "so nah an den Gegenständen", auch wenn sie mittlerweile in eine dreißigjährige Ferne gerückt sind.

Das Jahrzehnt von 1965 bis 1975 war auch in Herford und der Region Ostwestfalen-Lippe eine Zeit des Aufbruchs der Jugend. Träume von einer anderen, einer besseren Welt wurden geboren und haben die Gesellschaft nachhaltig verändert. An diese Zeit erinnern sich heute die 50jährigen - im Gegensatz zur Generation ihrer Väter und Mütter, die häufig nur vergessen wollten.

Vieles, was damals in den Metropolen geschah, ist detailliert dokumentiert. Für die Provinz gibt es diese Dokumente nicht. Vieles muss rückblickend re-konstruiert werden, mit allen Gefahren, die die Erinnerung bietet. Denn Erinnerungen konstruieren immer aus dem Jetzt die Vergangenheit. Und jeder Konstrukteur vergisst, verändert, pointiert, fälscht seine Erinnerungen, weil in ihnen die Träume (oder auch die Verzweiflungen) weiterleben.

Aufgabe des Historikers ist es, aus diesen Fragmenten das herauszudestillieren, was der geschichtlichen Wirklichkeit am nächsten kommt. Als erster Schritt einer solchen Aufarbeitung ist diese Ausstellung entstanden. Symbolisch werden in ihr die Scala, ein Tempel der Beat- und Rockmusik, der Rote Punkt, eine gemeinsame politische Aktion der Jugendlichen in Herford, die Aktion 49, ein Zusammenschluss Jugendlicher, die in der 68er Zeit für die politische Jugend stand, der Jazz Club und das Fla Fla, selbstverwaltete Jugendräume, dargestellt.

"Aber unsere Träume nicht" zeigt diese Herforder Erlebnisräume, die beispielhaft für die Erfahrung einer ganzen Generation stehen. Die Ausstellung gibt Einblicke in die Hintergründe und das Zeitgeschehen und stellt Fragen nach den Spuren, die diese Zeit an den Menschen und in der Gesellschaft hinterlassen hat.

Die Ausstellung will vor allem den Besuchern, die diese Zeit nur aus Erzählungen ihrer Eltern, Lehrer und aus der Literatur kennen, diese in Form von konkreten Rekonstruktionen anschaulich begreifbar machen. Nicht die Vollständigkeit ist das Ziel, sondern das Darstellen des Charakteristischen. Der Rest soll bewusst der Fantasie überlassen bleiben. Die detaillierte Aufarbeitung soll dann in einem zweiten Schritt erfolgen.


Das Ausstellungsteam:
Elke Brunegraf, Peter Biresch, Hans-Joachim Dewe, Christoph Laue, Gerd Ruebenstrunk



Eröffnungsrede zur Ausstellung von Professor Klaus Hurrelmann, Universität Bielefeld